Andreas Venakis, Geschichtslehrer an der Kaufmännischen Berufsschule Zürich, produziert zusammen mit seinem Cousin Emmanuel Vantarakis unter der Marke Silvergreen auf Kreta das in diesem Jahr international vielfach prämierte native Olivenöl extra bio Efkrato. Dabei war sein ursprünglicher Anspruch ein ganz anderer: Mit minimalster Beanspruchung der natürlichen Ressourcen ein fehlerfreies Öl erzeugen zu können. Silvan Brun hat Andreas Venakis zum Interview getroffen.
1) Silvan Brun: Lieber Andreas, dein Mundartdialekt ist durch und durch zürcherisch, und bei einer multikulturellen Stadt, wie sie Zürich ist, hört sich der Name Andreas Venakis, den du trägst, nicht besonders exotisch an, obschon sowohl Andreas als auch Venakis griechisch sind. Bist du im Herzen Hellene und in der Ratio Helvetier?
Andreas Venakis: «Manchmal ist es auch umgekehrt. Die Ratio des griechischen Teilzeit-Bauern sagt mir, was ökonomisch Sinn ergibt, während sich das Herz des Schweizer Städters ein Olivenöl wünscht, das aus handgepflückten, glücklichen Bio-Oliven entsteht. Auch in Fragen des schonenden Umgangs mit den natürlichen Ressourcen wie Wasser, Biomasse und Dünger geht es oft darum, eine Gratwanderung zwischen dem Wünsch- und dem Machbaren zu bewältigen. Manchmal entscheide ich mich für das Eine, manchmal für das Andere.»
2) Dein Vorname verrät es: Du bist tapfer (Anm. altgriechisch andreios = tapfer), und baust auf der grössten Insel Griechenlands Oliven an. Ich ziehe den Hut ob solchem Mut. Bitte erzähl mir zum Hintergrund deiner landwirtschaftlichen Tätigkeit auf Kreta.
«Da muss ich sehr weit ausholen: Angefangen hat es in den 1980er Jahren, als ich ein Teenager war. Die Sommerferien verbrachte ich mit meinen Eltern und meiner Schwester immer auf Kreta – an sich eine schöne Zeit. Jedoch ging mindestens ein Nachmittag dieser Ferien für einen Rundgang auf den drei kleinen Olivenhainen, die meiner Mutter gehören, drauf. Das fand ich einfach nur langweilig. Viele Jahre später, um die Jahrtausendwende, wurde mir bewusst, dass ich trotz dieser zahlreichen Besuche auf dem Hain, den Weg dorthin nie alleine fände, wenn unsere Eltern einmal nicht mehr auf dieser Welt sein würden. Nur schon der Gedanke daran, den Standort bequem über eine mobile Applikation wie Google Maps zu teilen, wie wir das heute kennen und tun, war damals dem Genre Science Fiction zuzuordnen. Daran wollte ich etwas ändern. So begann ich, meinem Cousin, dessen Vater sich die Jahre zuvor um unsere Haine gekümmert hatte, bei der Ernte zu helfen. So bekam ich mit, welch’ Knochenarbeit die Ernte ist, und wie wenig Geld beim Bauern liegen bleibt – nicht zu vergessen bei den Erntehelfern aus Pakistan oder Albanien.
Im Jahr 2002 beschloss ich, ein paar Kanister Olivenöl in die Schweiz einzuführen, hier in Flaschen abzufüllen und auf dem Quartiermarkt von Zürich-Witikon zu verkaufen. Mit der Zeit wurde mir bewusst, dass ich an der Qualität des Produkts arbeiten musste. Das begann mit kleinen Dingen wie dem Eliminieren der Kunststoffsäcke, in welche die Oliven nach dem Pflücken gekippt und in die Mühle gefahren wurden. Später kamen ökologische Gesichtspunkte hinzu, und heute geht es in erster Linie um die optimale Balance zwischen einer nachhaltigen Landwirtschaft und einem Endprodukt, das den Anspruch hat, mittelfristig mit den besten Olivenölen Europas konkurrieren zu können.
Um zu deiner Frage zurückzukehren: Mut gehört eigentlich nicht dazu, sondern viel Idealismus und Leidenschaft. Es ist diese Leidenschaft, die den Glauben an dieses Projekt wachhält und uns als Kleinproduzent motiviert, ein Olivenöl von höchster Qualität anzustreben.»
«Im Laufe der Jahre wurde mir bewusst, dass Bio-Landwirtschaft nicht das ist, was ich mir darunter vorgestellt hatte.»
- Andreas Venakis, Efkrato
3) Du gehst also den beschwerlichen aber gleichwohl – wie du sagst – unmutigen Weg der Qualitätsolivenölproduktion. Was war die tatsächliche Motivation, auf Qualität zu setzen? Doch nicht etwa das Ziel, das beste Olivenöl der Welt zu produzieren?
«Der Hauptgedanke war, dass ich keine Lust hatte, ein Olivenöl zu produzieren, das ich auch im Supermarkt kaufen könnte. Das war in den 2000er-Jahren. Zunächst wollte ich einfach nur ein Olivenöl, das fehlerfrei war. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen auf Kreta – ich besass keine eigene Mühle und auch keine eigene Abfüll-Anlage – mehr zu wollen, wäre illusorisch gewesen. Mehr hätte bedeutet, sich zu fragen, was es braucht, um ein harmonisches Produkt zu schaffen oder ein mildes oder ein super-scharfes. Wobei wir hier jetzt nur über die letzte Phase der Produktion reden. Die Jahreszeiten, in denen die Bäume Pflege brauchen, wir reden beispielsweise vom Baumschnitt, von der Gründüngung etc., sind hier noch gar nicht gemeint.
Als sich die Nachfrage den Kapazitäten unserer eigenen Haine zu nähern begann, musste ich mich umschauen, um Oliven bei Olivenbauern der Gegend abzukaufen. Das Naheliegendste war damals, unsere Nachbarn zu fragen. Meine Tante war eine dieser Nachbarn. Sie und ihr Sohn, also mein Cousin, hatten Ende der 2010er-Jahre aus ähnlichen Gründen wie ich zuvor mit dem Gedanken gespielt, sich um die Haine zu kümmern. Seit nunmehr fünf Jahren arbeitet sich Manolis Vantarakis zusammen mit mir an EFKRATO ab, wobei eindeutig er der Perfektionist ist und ich der Realist.»
4) Eure Oliven werden im Sinne eines ganzheitlichen Agrokulturverständnisses angebaut. Was bedeutet das? Und, wo und wie hebt sich diese Art der Olivenkultivierung von der rein biologischen ab?
«Im Laufe der Jahre wurde mir bewusst, dass Bio-Landwirtschaft nicht das ist, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Bio-Landwirtschaft bedeutet im einfachen gesetzlichen Kontext lediglich, dass man beim Anbau nur Herbizide, Insektizide und Pflanzenschutzmittel verwenden darf, die von der Zertifizierungsstelle zugelassen sind. Dazu gehören zum Beispiel auch Präparate auf der Basis von Kupfer-Sulfat. Kupfer ist für den menschlichen Körper zwar nur bedingt gefährlich und in kleinsten Mengen sogar notwendig, aber für Kleinlebewesen wie den Regenwurf ist dieses Schwermetall bereits in geringen Mengen tödlich. Was nützt es, wenn diese Substanzen zugelassen sind, ich – weiterhin offiziell zertifiziert – behaupten kann, dass ich nach biologischen Grundsätzen arbeite, dadurch aber die Arbeit des Regenwurms und der Bakterien im Boden zerstöre? Ich würde makellose Bio-Oliven bekommen, aber den Aufbau organischer Materie im Boden behindern.
Zurück zur Ausgangsfrage: Seit Jahren erschöpft sich unser Anbau im Wesentlichen auf Grün-Dung mit Leguminosen, das Austragen von Mist und die Behandlung der Bäume nach den Grundsätzen der biodynamischen Landwirtschaft. Das Ziel dieser minimal-invasiven Methode besteht in erster Linie darin, die Bodenverdichtung zu minimieren, die Biomasse zu erhöhen und dadurch die Resilienz der Bäume zu stärken. Die Bodenverdichtung verhindern wir, indem wir die Präparate der biodynamischen Landwirtschaft mit Drohnen auf die Bäume sprühen lassen, statt mit Tonnen schweren Traktoren mit ihren ebenso schweren Wasser-Tanks und Sprüh-Turbinen. Die Resilienz stärken wir dadurch, dass wir die Biodiversität auf dem Feld erhöhen, statt die Konkurrenten und Schädlinge des Olivenbaums direkt zu bekämpfen. Ein solcher Anbau, wie wir ihn gestalten, ist viel arbeitsintensiver, als eine Olivenbaum-Plantage mit Zehntausenden von Bäumen, die maschinell mit Kupfersulfat, Fruchtbildungsmitteln und andere Substanzen behandelt werden und deren Boden kahl gemäht wird, wodurch das Wasser schneller verdampft, was es wiederum nötig macht, wertvolles Grundwasser anzuzapfen, um den Bäumen Feuchtigkeit zurückzugeben. An Brisanz gewinnt dieser Bewässerungs-Irrsinn dadurch, dass neulich eine koreanische Studie[1] zum Schluss gekommen ist, dass der Grundwasser-Verbrauch einer der Hauptgründe ist, weshalb sich die Erdachse im Zeitraum zwischen 1993–2010 stärker verschoben hat, als man früher prognostiziert hatte. Was dies für die Sonneneinstrahlung bedeutet, will man sich lieber nicht ausdenken.»
«Sehr schnell stellte ich fest, dass die Passanten fast immer mit der Stirn runzelten, wenn ich sie auf die Bitterkeit und die Schärfe im Olivenöl aufmerksam machte.»
- Andreas Venakis
5) Das ist eindrücklich und gibt einen guten Eindruck darüber, dass eine natürliche Landwirtschaft in jedem Fall Sinn ergeben würde! Der Untersuchungsgegenstand der koreanischen Studie zählt für mich – um uns nochmals bei dem Wort zu bedienen – zum Genre der Science Fiction. Aber sei dem so. Sag mir, Andreas, inwiefern profitiert das später aus den Oliven gewonnene Öl in Sachen Organoleptik und physiologischer Chemie deiner Ansicht nach vom ganzheitlich gedachten Anbaukonzept? Sprich, schmeckt Efkrato anders, als wenn es in konventioneller Produktion gewonnen würde?
«Inwieweit die aussergewöhnlichen organoleptischen Eigenschaften von EFKRATO auf die Art und Weise des Anbaus zurückzuführen sind, ist schwierig, zu sagen, denn wir haben von jedem Hain immer nur eine Version. Zudem sind die Eigenschaften des Endprodukts das Resultat mehrerer Faktoren. Wir sprechen hier vom Anbau, der Ernte und der Verarbeitung. Wir produzieren aber nicht nur aus Gründen des kulinarischen Genusses und der gesundheitlichen Aspekte wegen nachhaltig, sondern auch aus Gründen des Umweltschutzes. Unsere Aktivität soll die natürlichen Ressourcen, auf welche jede Kultur-Landschaft angewiesen ist, nicht über Gebühr beanspruchen. Letztlich ist es diese ganzheitliche Herangehensweise, die die Bedürfnisse der Natur und unseren Wunsch nach einer gesunden Ernährung zu einem besonderen kulinarischen Genuss vereint und EFKRATO zu einem würdigen Vertreter der authentischen kretischen Küche macht.»
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6) Die Tsounati-Oliven, die ihr für Efkrato verwendet, werden einzeln von Hand selektiert, ehe sie zur Mühle gelangen. Das ist ein sehr kostspieliger Arbeitsschritt, der an und für sich allein schon einen hohen Produktpreis rechtfertigen würde. Die Halbliterflasche Efkrato kostet aber – trotz quasi-biodynamischem Anbau und handverlesenen Oliven – gerade mal etwas über 30 Franken. Was ist deine Motivation, eine derart strikte Produktionsphilosophie und ein so engmaschiges Qualitätsmanagement zu verfolgen?
«Der relativ niedrige Preis gilt nur für eine begrenzte Zeit. Wir betrachten ihn als Teil unseres Werbebudgets. Es ist ein Versuch, mehr Menschen zu erreichen, ihnen die Gelegenheit zu geben, den Geschmack von EFKRATO kennenzulernen und hoffen dabei, dass diese ihren Freunden und Bekannten von ihrem kulinarischen Flash erzählen.»
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7) Flash ist das Stichwort: Efkrato ist ein Öl, das viel Bitterkeit und vor allem Schärfe mitbringt. Es bietet ein Füllhorn an gesundheitlich vorteilhaften sekundären Pflanzenstoffen, was auf dem Produktetikett auch ausgelobt wird. Wie sieht die Konsumentschaft aus, die sich an ein solches Öl heranwagt?
«Früher habe ich mehrmals im Jahr am Quartier-Markt von Zürich-Witikon einen Verkaufsstand gehalten. Sehr schnell stellte ich fest, dass die Passanten fast immer mit der Stirn runzelten, wenn ich sie auf die Bitterkeit und die Schärfe im Olivenöl aufmerksam machte. Ich tat dies dennoch, weil ich den Anspruch hatte, meinen potenziellen Kunden reinen Wein einzuschenken und sie darüber aufzuklären, was ein gutes Olivenöl ausmacht. Einige liessen sich davon überzeugen, andere nicht. Aber ich glaube, dass sich das Bewusstsein langsam zu ändern beginnt. Immer mehr Menschen wissen, woran man ein gutes Olivenöl erkennt. Und sie wissen auch, dass die Fettbegleitstoffe, die ein Olivenöl auszeichnen, nur in purer Form etwas gewöhnungsbedürftig sind, aber in Kombination mit einem Gericht eine geschmackliche Sinnesfreude auslösen können.»
8) Apropos «reinen Wein einschenken»: Im Wein liegt die Wahrheit. Im Olivenöl die Gesundheit, sagt man. Allerdings ist letzteres vielen Menschen wichtiger als ersteres. Die angeblich gesunde Mittelmeerdiät verbindet man gerne mit Kreta. Die Menschen auf Kreta werden im Vergleich zu Westeuropäern überdurchschnittlich alt. Zumindest erhält man diesen Eindruck, wenn man durch die Bergdörfer Kretas fährt und an den Anschlägen bei den Gemeindehausplätzen oder bei den Kirchen die Todesanzeigen liest. Liegt das hohe Alter der Kreter am hohen Olivenölkonsum, der teilweise über 50 Liter pro Kopf und Jahr beträgt?
«Die anekdotische Evidenz und gewisse Medienberichte erwecken tatsächlich den Eindruck, dass auf Kreta die Menschen besonders alt werden. Monokausale Erklärungen in Sachen Ernährung finde ich aber problematisch – zumal es sich bestenfalls um Korrelationen handelt. Ebenso gut könnte man behaupten, dass sich das hohe Alter durch den Konsum von Schnecken erklären lässt, die in Kreta als Delikatesse gelten. Was ich damit sagen will: Was die Wissenschaft die letzten Jahre über die gesundheitlichen Effekte von gutem Olivenöl (die Betonung liegt hier auf dem Adjektiv) zutage gefördert hat, ist tatsächlich beeindruckend. Und wenn die postulierten positiven Effekte auch nur zu zehn Prozent zutreffen, dann ist das für uns Grund genug, dafür zu sorgen, dass EFKRATO sein Versprechen hält und gesundheitliche Effekte mit kulinarischem Genuss verbindet.»
«Broccoli oder Fenchel in Wasser kochen und dann mit Salz, Zitrone und Olivenöl auf den Teller geben. Eine Wucht!»
- Andreas Venakis, Efkrato
9) Vielleicht sind es doch die Schnecken. Denn, immerhin muss man in Sachen Olivenöl und höherer Lebenserwartung unter Kretern entgegenhalten, dass das übliche kretische Olivenöl in der Qualität nicht an Efkrato herankommt und es in der Regel auch milder – vor allen Dingen weniger bitter – ist, sprich weniger gesundheitsfördernde Verbindungen enthält. Hypothetische Frage: Werden jene, die Efkrato zusammen mit Schnecken konsumieren noch älter werden?
«Die Qualität griechischer Olivenöle im Allgemeinen und kretischer im Besonderen ist tatsächlich noch stark verbesserungsfähig. Die letzten zehn Jahre hat sich aber einiges getan. Zahlreiche kleine Produzenten wie wir wagen es, den beschwerlichen Weg der Qualität zu gehen und dadurch die Grossabfüller herauszufordern. Dass diese Bemühungen erfolgreich sind, zeigt sich auch daran, dass sich grosse Mühlen und Abfüller genötigt sehen, darauf zu reagieren und ihrerseits Qualitäts-Label auf den Markt zu bringen.
Zur eigentlichen Frage, ob der Genuss von EFKRATO lebensverlängernde Wirkung haben kann: Wer EFKRATO über seinen Salat träufelt oder den Mürbeteig statt nur mit Butter mit 50 Prozent EFKRATO zubereitet, was ich nur empfehlen kann, wird vielleicht nicht länger leben, als wenn er ein anderes Olivenöl konsumierte, aber er wird ein bisher vielleicht unbekanntes Geschmackserlebnis kennenlernen, das zu mehr Lebensfreude führen kann. Ich wiederhole mich: Für mich besteht der Gewinn an Lebensfreude zum Beispiel darin, dass man in Wasser gekochte Kartoffeln mit wenigen Zutaten in etwas verwandeln kann, das man nur in wenigen Restaurants geboten kriegt, nämlich in ein Geschmackserlebnis erster Güte. Hier ein anderes Beispiel: Broccoli oder Fenchel in Wasser kochen und dann mit Salz, Zitrone und Olivenöl auf den Teller geben. Eine Wucht!
Und ja, warum nicht einmal Schnecken in Olivenöl mit Rosmarinzweigen braten und mit Essig ablöschen, statt nach französischer Art mit Kräuterbutter zubereiten?»
10) Mit Fröschen und Schnecken haben die Menschen ausserhalb Kretas deutlich mehr Mühe als mit Kälbern und Jungsauen. Auch Crevetten würden sie den Schnecken vorziehen. Nun, wie auch immer. Andreas, du zeigst gerade mit den eben vorgestellten Zubereitungsarten für Gemüse und Kartoffeln, dass Genuss sehr einfach und kostengünstig sein kann - sofern die richtigen Zutaten gewählt werden. Unglücklicherweise ist allerdings auch ein Gegentrend zu den von dir beschriebenen Glücks- und Genussrezepten feststellbar. Denn, ebenso wuchtig wie dein eben geschildertes Geschmackserlebnis traf mich selbst im ursprünglichen Kreta die Feststellung der einschneidenden Veränderungen, was das dortige Essen betrifft. Insbesondere in der Gastronomie. Dort wird Olivenöl zusehends durch Sonnenblumenöl ersetzt – vor allem für Frittiertes. Stelle sich das einer vor!! Warum gibt es diese negative Entwicklung?
«Mit Freunden sass ich letzten Herbst in einer Taverne in der Messara-Ebene. Die Messara kann man von der Anhöhe des minoischen Palastes von Phaistos gut überblicken. Sie war und ist immer noch sehr fruchtbar. Früher baute man dort vor allem Getreide an, heute sind es vor allem Olivenbäume der Sorte Koroneiki. Die traditionelle Sorte der Throumbolià (oder Chondrolià) gibt es dort fast nicht mehr. In besagter Taverne hatten wir unter anderem Randen bestellt. Schon nur ein flüchtiger Blick auf den weissen Teller liess keinen Zweifel: Die Randen sind mit Sicherheit nicht mit Olivenöl beträufelt worden. Viel mehr schwammen sie in Sonnenblumenöl. Selbst auf die Frage hin, was für ein Öl das sei, bestand der Kellner darauf, dass es sich um Olivenöl handle.
Diese Geschichte und die Erfahrung nicht weniger Touristen zeigen, dass es sich bei diesem Phänomen nicht um Einzelfälle handelt. Umso wichtiger ist es, möglichst viele Menschen über die Eigenschaften von guten Olivenölen aufzuklären. Das klingt jetzt etwas missionarisch und ist es wohl auch, aber eine Trend-Umkehr macht sich bereits bemerkbar. Köche von kretischen Top-Restaurants schulen ihr Personal und halten eine Palette an guten Olivenölen zur Degustation mit Gästen bereit. Darüber hinaus organisieren wir selbst Olivenöl-Tastings in Hotels und auf unseren Olivenhainen. Wer uns besuchen will, findet uns auf Instagram.»
11) Efkrato scheint, sich bewusst gegen den Trend der Verwahrlosung der kretischen Olivenölkultur zu stellen, was uns «alten Griechen» das Wort «Efkrato» ja schon verrät. Was genau bedeutet es?
«Von Altphilologen haben wir uns erklären lassen, dass EFKRATO ein Kompositum ist, welches das Verb kerannimi enthält. Kerannimi kann man mit «mischen» oder «kombinieren» übersetzen. Die Vorsilbe eu- (im Neugriechischen als ef- ausgesprochen) deutet auf etwas Positives, Wünschbares oder Gutes hin, wie zum Beispiel im Substantiv «Euphorie» oder «Eurhythmie». EFKRATO ist also frei übersetzt «das Olivenöl, das die Eigenschaften seiner Herkunft auf ideale Art vereint».»
12) Eure Produktion ist mit rund 2'000 Litern sehr klein. Wird das im Sinne des Wortes Efkrato so bleiben oder hast du Ambitionen, künftig mehr Olivenöl zu produzieren?
«Wenn es uns gelingt, die Qualität zu halten, dann werden wir die Produktion erhöhen. Wir haben nun das Know-How, das es dazu braucht, auch wenn wir jedes Jahr dazulernen.»
«Seit etwa 250 Jahren verringern sich die Haushaltsausgaben für Lebensmittel kontinuierlich. [..]»
- Andreas Venakis
13) Habt ihr genügend landtechnische, materielle und menschliche Ressourcen, um allenfalls auszubauen?
«Das grösste Problem ist nicht, Bio-Bauern zu finden, die bereit sind, uns ihre Oliven abernten zu lassen, sondern Erntehelfer, die zu einem marktüblichen Preis arbeiten wollen. Früher haben Erntehelfer aus dem Balkan - vor allem aus Albanien - den Grossteil der Ernte eingebracht. Viele sind vor zwei Jahren, so hört man sagen, von Italien und Deutschland abgeworben worden. Vielleicht hat sich in der Community der Erntehelfer herumgesprochen, dass in Italien und Deutschland Milch und Honig fliessen...
Wir ergänzen unsere lokalen Erntehelfer seit Jahren mit jungen Menschen aus der Gemeinschaft der WWOOF. Diese Volontäre, meistens sind sie zwischen 20 und 30 Jahre alt, kommen aus allen Himmelsrichtungen. Sie sind die besten Botschafter unserer Mission. Denn mit ihnen verbringen wir nicht nur die Tage auf dem Hain, sondern auch die Abende in der Küche und am Tisch. Die Woofer, wie man sie nennt, sind zwar betreuungsintensiv – wir müssen ihnen Kost und Logie anbieten – aber im Gegenzug haben wir es mit motivierten Helfern zu tun, die ein authentisches Interesse an unserem Projekt haben.»
......dass tüchtige Oliven-Erntehelfer aus Albanien mittlerweile lieber das Adriatische Meer überqueren, um in Italien arbeiten zu können, kann ich bestätigen. In der Maremma und in Bolgheri beispielsweise haben ihne die Olivenbauern vor ein paar Jahren noch 140 Euro pro 100 Kilogramm geernteter Oliven bezahlt. Letztes Jahr sind die Erntekosten aber deutlich gestiegen, weil die Akkordernter wenig von den Bäumen zu holen hatten und dadurch bei gleichem Akkordlohn auf einen viel niedrigeren Tageslohn gekommen wären. Die Olivenbauern fühlen sich im Würgegriff. Weniger Oliven, dafür höhere Ausgaben pro geerntetes Kilogramm.
«Der ökonomische Sachverhalt, der sich an diesem Beispiel sehr gut illustrieren lässt, ist universell gültig. Auch Grossanbauer müssen niedrigere Skalenerträge in Kauf nehmen, wenn die Bäume in einer Alternanz-Phase mit niedriger Fruchtbildung sind. Die Maschinen verbrauchen bei tiefer Ernte etwa ähnlich viel Diesel und müssen zu gleichen Anteilen amortisiert werden, wie wenn die Bäume voll mit Oliven behangen sind. Das ist wohl auch einer der Hauptgründe, weshalb man versucht, den Ertrag der Bäume Jahr für Jahr auf die Spitze zu treiben – ohne Rücksicht auf die Folgen für die Bio-Diversität, den Boden und das Grundwasser.
Es steckt übrigens ein weiterer Aspekt hinter der Höhe der Erntekosten. Seit etwa 250 Jahren verringern sich die Haushaltsausgaben für Lebensmittel kontinuierlich. Während früher gut 80 Prozent oder noch mehr des verfügbaren Einkommens auf die Lebensmittel-Versorgung einer Familie gingen, sind es heute vielleicht noch sechs Prozent. Nur weil dies so ist, können wir uns andere Dinge kaufen, die eigentlich nicht lebensnotwendig sind. Erhöhte man die Löhne für die Erntehelfer global auf ein Niveau, das ein würdiges Auskommen erlaubt, dann würden die Lebensmittel in den Supermärkten um den Faktor zwei, drei oder vielleicht fünf teurer. Die industrialisierte Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie sind also systemrelevante Branchen, ohne die unser Leben ganz anders aussähe. Was in dieser Rechnung noch fehlt, ist die Einpreisung des CO2-Ausstosses. Der Verbrauch fossiler Brennstoffe und die damit einhergehende Belastung der Umwelt wird in den Preisen für die meisten Lebensmittel nicht abgebildet. Wir versuchen, daran etwas zu ändern, indem wir einen Teil des Umsatzes an die Stiftung myclimate weiterleiten, die damit Projekte zur Reduktion des CO2-Ausstosses fördert.»
14) Im ersten Halbjahr 2023 hast du für die jüngste Version von Efkrato zahlreiche nationale und vor allem auch internationale Auszeichnungen erhalten. Was bedeuten diese Ehrungen für dich? Und, was bedeuten sie für das Projekt Efkrato?
«Die Preise an internationalen Wettbewerben können Tür-Öffner sein. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu wecken, auf sich aufmerksam zu machen. Und natürlich bringt jeder Preis auch eine Genugtuung mit sich, das will ich nicht in Abrede stellen. Jetzt bleibt abzuwarten, ob sich die Mühe in ein paar Jahren auch ökonomisch auszahlt. Denn eins ist sicher: Für diese Tätigkeit braucht man einen sehr langen Atem. Oliven-Anbau ist nichts für 100-Meter-Sprinter. Es wäre vermessen, von Bäumen, deren Zeithorizont in hunderten von Jahren verläuft, kurzfristige Resultate zu verlangen.»
«Leider hat mir vor zwei Jahren unser Spezialist vor Ort verboten, die Bäume zu schneiden. Immerhin habe ich mir ausbedungen, dass ich mich weiterhin an ein paar Bäumen austoben darf [..]»
- Andreas Venakis
15) Sehr schön gesagt. Andreas, lass uns das Interview mit einer Frage und einer Antwort zum immergrünen Baum des Lebens und des Friedens schliessen. Welchen Teil der Olivensaison geniesst du am meisten? Die Blüte, wenn die OIivenbäume im weissen Kleid dastehen, die Ernte, wenn die Olivenbäume voll mit Früchten behangen sind, oder die winterliche Ruhe, die für die Bäume von grosser Wichtigkeit ist?
«Meine Lieblings-Zeit ist eindeutig die Zeit des Baumschnitts. Das ist eine fast meditative Arbeit. Leider hat mir vor zwei Jahren unser Spezialist vor Ort verboten, die Bäume zu schneiden. Immerhin habe ich mir ausbedungen, dass ich mich weiterhin an ein paar Bäumen austoben darf, aber den Rest ihm überlassen muss. Auch die Erntezeit ist an sich eine schöne Zeit. Das Highlight ist jedes Jahr der Moment, in dem man das frische Olivenöl zum ersten Mal auf den Salat aus wilden Kräutern oder auf ein Toast-Brot fliessen lässt. Das Aroma ist betörend und der Geschmack des Essens, das sich mit dem frischen Saft der Oliven vereint, wird zu einem gastronomischen Erlebnis, das süchtig machen kann und das man immer wieder und jedes Jahr von Neuem erleben will.»
Ich danke dir für das Gespräch, Andreas.
Quellen
[1] Ki-Weon Seo et al., Drift of Earth's Pole Confirms Groundwater Depletion as a Significant Contributor to Global Sea Level Rise 1993–2010, 15.06.2023, American Geophysical Union, Geophysical Research Letters, unterstützt von NASA. Grant Numbers: 80NSSC22K0906, 80NSSC20K0820; zu finden unter https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2023GL103509
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