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April, April. Ein Beitrag gegen das kollektive Vergessen um die wahre Bedeutung des Monats Aprilis.


Beginnender Knospenaufbruch an einem Olivenbaum in der Schweiz (Bild: evoo.expert)
Beginnender Knospenaufbruch an einem Olivenbaum in der Schweiz (Bild: evoo.expert)

Heute ist der 1. April bei uns ausschliesslich als Scherztag bekannt. Tag der Narren - (April) Fools' Day - nennt man den ersten Tag des vierten Monats in England und in den USA. Und sogar einige asiatische Länder wie Japan, Südkorea oder Indien haben den ursprünglich europäischen Spaßtag durch Popkultur, Entnationalisierung und Kommerzialisierung importiert und zelebrieren diesen heute ganz selbstverständlich. In Vergessenheit geraten ist dabei die wahre Bedeutung des Wortes April und so auch dieses Monats. Höchste Zeit, sich diese wieder in Erinnerung zu rufen.


Die meisten kennen den 1. April nur noch als Scherztag. Dabei ist er mehr als ein Anlass für Schabernack. Er markiert eine Schwelle, eine leise Zäsur im Jahreslauf – die Öffnung hin zum neuen Leben.


Der April trägt seinen Namen aus dem Lateinischen Aprīlis (mēnsis) – wohl abgeleitet vom Verb aperire, was "öffnen" bedeutet. Und tatsächlich: Der April ist in unserer Zone der Monat, in dem sich vieles öffnet. Knospen. Blüten. Wege. Gedanken. Möglichkeiten. Aber auch von aprīcus, was so viel bedeutet wie "sonnig", könnte April abstammen.


Im Mittelalter wurde der April im Mittelhochdeutschen unter anderem aberelle genannt – ein Wort, das womöglich auf das alte aber zurückgeht. Nicht im Sinn von "jedoch", sondern aus der indogermanischen Wurzel apo- gedacht: ab, weg, folgend. Der April – als der nachfolgende Monat, der auf den März folgt, der mit der Tages- und Nachtgleiche einst den Jahresanfang bildete.


Der April war also je nach Quelle der erste oder der zweite Monat im Jahr: Der öffnende oder der folgende. In einer Welt der künstlichen Rhythmen, Algorithmen und manipulierten Kalender, hat es für diese alte Weisheit allerdings keinen Platz mehr.


Woher kommt dieser Brauch des Narrentags?

Die Ursprünge des Aprilscherzes sind unklar. Manche vermuten, er gehe auf einen Kalenderschwindel zurück: Als in Frankreich im 16. Jahrhundert unter König Karl IX. der Jahresbeginn vom 1. April auf den 1. Januar verlegt wurde, hielten manche Menschen weiter am alten Zyklus fest – und wurden verspottet. Der "April Fool" wäre demnach jemand, der am Naturmaßstab festhält, während sich die Welt neu ordnet.


Was zunächst aussieht wie ein scherzhaftes Ritual, ist in Wahrheit ein tiefer Riss in unserer Identität. Der Fools' Day ist Symbol für die Entfremdung des Menschen vom natürlichen Zeitmaß. Die Abkopplung von naturgegebenen Zyklen und Rhythmen. Ein Synonym für die kollektive Verdummung.


Das Leben erneuern

Während wir heute – als sei es gut so – über Zeitungsenten lachen oder Familie und Freunden kleine Streiche planen, geschieht in den Olivenhainen im Süden Europas etwas ganz anderes – etwas, das sich nicht vom "Circle of Life" und vom "Wheel of Fortune", die Elton John in Lion King besingt, abbringen lässt. Es beginnen sich leise und unbeirrbar die Blütenknospen der Oliven zu öffnen.


Und auch hier, nördlich der Alpen, macht sich die Natur auf zu einem neuen Lebensjahr. Das Titelbild zeigt eine junge Olivenknospe – aufgenommen am 1. April 2025 in Stans. Der Trieb formt sich, der Moment der Öffnung ist nah. Zwei, vielleicht drei Wochen noch, ehe daraus ein Blatt, ein Stängel oder ein Blütenstand werden wird.


Der Olivenbaum ist gewiss kein lauter Frühlingsbote. Während wir – kaum ist die Fasnacht vorbei – schon die ersten Schokohasen kaufen, öffnet sich der Olivenbaum still aber unaufhaltsam dem neuen Jahr. Dem echten Neujahr. Er drängt nicht. Sondern folgt einem inneren Kalender, der sich niemals beugt – weder Witz noch Willkür.


Was hat man nicht alles getan, um uns in ein kollektives Vergessen zu stürzen? Die natürlichen Schwellen des Jahres – ersetzt durch Konvention. Die Zeichen der Erde – übertönt durch den Lärm artifizieller Konstrukte. Den Sinn des Lebens – vergraben unter wertlosen Ritualen.


Doch wer beginnt, wieder hinzusehen, wer die Sprache der Natur versteht, der erkennt: Der April ist kein Scherz. Er ist eine Einladung. Eine Einladung, sich zu öffnen und das Leben abermals zu erneuern.


In diesem Sinne,

auf ein gutes neues Jahr.


Ihr,

Silvan Brun


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