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AutorenbildSilvan Brun

Der weltgrösste Abfüller vor dem Kollaps: Deoleo scheint, Carapelli Firenze nicht verdauen zu können. Wie ein Steuerkonstrukt mit Schweizer Beteiligung den Koloss in den Abgrund stürzen könnte.


Carapelli liegt dem Olivenölkoloss Deoleo schwer im Magen. (Bild: Deoleo SA)


Deoleo, der weltgrösste Abfüller von Markenolivenöl und Eigentümer von bekannten Marken wie Carapelli, Bertolli und Carbonell, steht vor einer massiven Herausforderung. Ein italienisches Gericht hat die Tochtergesellschaft Carapelli Firenze dazu verurteilt, 89 Millionen Euro zu zahlen. Der Fall, der auf die Jahre 2010 bis 2012 zurückgeht, beleuchtet nicht nur fragwürdige Geschäftspraktiken, sondern auch die Rolle der inzwischen aufgelösten Schweizer Tochtergesellschaft Carapelli International.



Deoleo, damals noch unter dem Namen Grupo SOS bekannt, übernahm Carapelli Firenze, einen italienischen Abfüller von Olivenöl, im Jahr 2005. Im Rahmen eines gross angelegten Deals mit der Unilever-Gruppe erwarb das Unternehmen die Marken Carapelli, Sasso und Bertolli. Letztere ist die weltweit am häufigsten verkaufte Olivenölmarke. Diese Übernahme markierte einen Meilenstein in der Expansion der damaligen Grupo SOS und festigte die Position des Unternehmens als weltweiter Marktführer im Bereich Markenolivenöl.


Doch während die damalige Grupo SOS Carapelli zwar schlucken konnte, scheint Deoleo bis heute Probleme zu haben, den Abfüller mit Sitz im Chianti Classico zu verdauen. Die Herausforderungen im Zusammenhang mit Carapelli bringen den weltgrössten Markenolivenölabfüller abermals in ernsthafte Schwierigkeiten.



Die Konstruktion hinter dem Steuerfall

Carapelli Firenze importierte in den Jahren 2010 bis 2012 Olivenöl aus Nicht-EU-Ländern über die Schweizer Tochtergesellschaft Carapelli International ins toskanische Tavarnelle in Val di Pesa. Das Öl wurde dort in den Werken von Carapelli abgefüllt und anschliessend in Nicht-EU-Länder exportiert. Laut Deoleo basierte diese Praxis auf einer im europäischen Zollrecht anerkannten Ausnahme, die es ermöglicht, Zölle zu umgehen. Die italienischen Zollbehörden sahen dies jedoch anders und argumentierten, dass Carapelli International keine unabhängige wirtschaftliche Einheit war, sondern lediglich als verlängerter Arm von Carapelli Firenze agierte.


Die Ermittlungen begannen bereits im Jahr 2014, nachdem die italienischen Zollbehörden die rechtliche Konstruktion infrage gestellt hatten. Trotz früherer Gerichtsurteile zugunsten von Deoleo SA entschied ein italienisches Berufungsgericht im November 2024 - also zehn Jahra nach Aufnahme der Ermittlungen - gegen das Olivenölunternehmen, das seinen Hauptsitz in Madrid hat. Die Strafe, die zu entrichten ist: 89 Millionen Euro. Sie besteht aus 72,4 Millionen Euro Hauptforderung und 26 Millionen Euro aufgelaufenen Zinsen.



Die Rolle der Schweiz

Die inzwischen aufgelöste Tochtergesellschaft Carapelli International war ein zentraler Bestandteil des beschriebenen Konstrukts. Die Schweiz, die nicht Mitglied der EU ist, aber durch ein Freihandelsabkommen eng mit der Union verbunden ist, bot einen strategischen Vorteil für Deoleo. Dieses Konstrukt nutzte die steuerlichen und zollrechtlichen Regelungen der Schweiz, um die Einfuhrkosten für Deoleo zu minimieren. Die italienischen Zollbehörden sahen dies jedoch als rechtswidrige Steuerumgehung an, da Carapelli International aus ihrer Sicht keine operative Substanz hatte und Entscheidungen im Interesse der Muttergesellschaft in Italien traf. Dieser Aspekt rückt die Schweiz als Ort für Briefkastenfirmen in den Fokus, da ihre rechtliche und wirtschaftliche Struktur häufig für solche grenzüberschreitenden Operationen genutzt wird.



Auswirkungen auf Deoleo

Die jetzt verhängte Strafe könnte für Deoleo tatsächlich existenzbedrohend sein. Das Unternehmen meldete 2023 einen Verlust von 34 Millionen Euro, während es im ersten Halbjahr 2024 lediglich einen bescheidenen Gewinn von 500.000 Euro erzielte. Mit einer bestehenden Schuldenlast von rund 100 Millionen Euro und der Herabstufung des Kreditratings durch Moody’s auf Caa1 steht Deoleo vor einer ernsten finanziellen Krise. Deoleo hatte in all den Jahren auch keine finanziellen Rückstellungen für diesen Fall gebildet, da das Unternehmen davon ausging, die von seinen Anwälten formulierten rechtlichen Argumente würden vor Gericht Bestand haben. Sollte die Zahlung der Strafe erforderlich sein, könnte dies nicht nur die Liquidität erheblich belasten, sondern auch die laufenden Geschäftsaktivitäten beeinträchtigen.



Was kommt als Nächstes?

Die spanische Deoleo SA hat angekündigt, das Urteil vor dem italienischen Kassationsgericht anzufechten und gegebenenfalls den Europäischen Gerichtshof einzuschalten. Eine zentrale Argumentation des Unternehmens ist, dass die italienischen Zollbehörden keine klare gesetzliche Grundlage für ihre Interpretation vorweisen können. Zudem argumentiert Deoleo, dass die rechtlichen Konstruktionen in der Vergangenheit von anderen multinationalen Unternehmen ähnlich genutzt wurden und keine europäischen Präzedenzfälle existieren.


Die Hauptaktionäre Deoleos, die Investmentfonds Alchemy und CVC, haben ihre Unterstützung zugesagt und das Vertrauen in die langfristige Strategie des Olivenölabfüllers bekräftigt. Dennoch bleibt die Frage offen, ob das Unternehmen in der Lage sein wird, die finanziellen und rechtlichen Herausforderungen zu meistern und ob die Grossaktionäre tatsächlich bereit wären, erneut Geld einzuschiessen.

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