Er fällt, der Elch. In Schweden als "Extra Vergine" vermarktete Olivenöle sind grösstenteils von ungenügender Qualität, schlussfolgern schwedische Lebensmittelbehörden anhand von zwei Untersuchungen, die in den Jahren 2018 und 2019 vorgenommen wurden.
«Wir konnten Zuwiderhandlungen feststellen, bei denen das Olivenöl in den Flaschen nicht mit der deklarierten Kategorie auf dem Etikett übereinstimmte. Die Konsumenten haben nicht erhalten, wofür sie bezahlt haben.»
Erica Fiume, Lebensmittelinspektorin der Stadt Stockholm
17 von 21 Flaschen, die als natives Olivenöl extra etikettiert waren, entsprachen nicht der Norm für diese Güteklasse. Bei den mangelhaften Olivenölen handelte es sich entweder um natives Olivenöl oder gar um Lampantöl, das nicht für den Verzehr zugelassen ist. Immerhin, keines der getesteten Öle wurde mit einer anderen Ölsorte (bspw. Saatenöle) vermischt, schreibt das Branchenportal Olive Oil Times, welches am 26. Februar 2020 die Resultate der Untersuchung veröffentlicht hatte.
Die geprüften Olivenöle wurden von den schwedischen Behörden aus Einzelhandelsgeschäften entnommen und mittels chemischer und organoleptischer Tests gemäss den geltenden EU-Normen analysiert. Allen 17 Olivenölen, die den Test nicht bestanden haben, wurde bei der organoleptischen Bewertung, die von einem von der Europäischen Kommission anerkannten Olivenöl-Panel durchgeführt wurde, das auch durch den Internationalen Olivenölrat akkreditiert ist, ungenügende Qualität attestiert. Somit zeigt der schwedische Fall deutliche Parallelen zur jüngst zur Olivenölqualität im Schweizer Detailhandel 2019 veröffentlichten Studie, welche IOF - International Olive Foundation durchgeführt hatte, auf. IOF hatte demnach ermittelt, dass von 183 geprüften Olivenölen lediglich 39 das Prädikat "Extra Vergine" verdienten. Die fehlbaren Olivenöle schnitten dabei zumeist ebenfalls im organoleptischen Test nach Verordnung (EWG) Nr. 2568/91 ungenügend ab.
Im Gegensatz zur gross angelegten Schweizer Olivenölanalyse wurde die deutlich kleinere schwedische Untersuchung im Rahmen von Konformitätsprüfungen durchgeführt, die von der Europäischen Union in Auftrag gegeben werden, um sicherzustellen, dass die Produktkennzeichnung von Olivenöl den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
«Natives Extra ist ein Qualitätslabel, für das viele Menschen einen Aufpreis bezahlen. Es ist beunruhigend, dass nur wenige der von uns untersuchten Olivenöle die Anforderungen erfüllen.»
Aron Lindén, staatlicher Inspektor der schwedischen Lebensmittelbehörde
Wie Olive Oil Times weiter schreibt, deute die Tatsache, dass von der schwedischen Behörde über einen Zeitraum von zwei Jahren lediglich 21 Marken resp. Olivenöle getestet wurden - Marken oder Olivenöle, welche die Behörde aus dem einen oder anderen Grund bereits unter Verdacht hatte - darauf hin, dass die international anerkannten Richtlinien für Olivenöl in Schweden, wie überall sonst auch, kaum durchgesetzt würden. Im Jahr 2018 sollen sich sich Schwedens Olivenölimporte nach Angaben des Marktdatenanbieters Statista auf 42 Millionen Schwedische Kronen (43,8 Millionen Dollar) belaufen haben, wie Olive Oil Times berichtet. Entsprechend, so kann man schlussfolgern, kann der Umfang der Olivenölprüfungen durchaus als ungenügend betrachtet werden, geht es doch immerhin um den Schutz der Konsumenten vor Betrug und Täuschung.
Aron Lindén, der staatliche Inspektor der schwedischen Lebensmittelbehörde, sagte: "Natives Extra ist ein Qualitätslabel, für das viele Menschen einen Aufpreis bezahlen. Es ist beunruhigend, dass nur wenige der von uns untersuchten Olivenöle die Anforderungen erfüllen."
"Die Untersuchung konzentrierte sich auf Produkte, bei denen die schwedische Lebensmittelbehörde ein erhebliches Risiko für Nichtkonformitäten vermutete, in diesem Fall bei Olivenöl der Kategorie 'Extra Vergine', welches im Einzelhandel verkauft wird", sagte Erica Fiume, Lebensmittelinspektorin der Stadt Stockholm, gegenüber der Olive Oil Times.
Fiume gab gegenüber Olive Oil Times an, dass der Fokus der Lebensmittelbehörde auf Hochrisikoprodukte der Kategorie "Extra Vergine Olivenöl" wahrscheinlich zu einer hohen Ausfallrate beigetragen hat, die nicht als repräsentativ für die allgemeine Situation in Schweden betrachtet werden sollte. "Um eine repräsentative Zahl für die allgemeine Konformität von extra nativen Olivenölen in Schweden zu erhalten, wäre unserer Meinung nach eine höhere Anzahl von Proben notwendig", sagte sie weiter. IOF hat genau dies gemacht, kommt aber dennoch zum selben Ergebnis: 80 % der als "Extra Vergine" vermarkteten Olivenöle erfüllen die dafür vorgesehenen Qualitätsstandards nicht.
Sanktionen gegen fehlbare Unternehmen in Schweden - keine Tätigkeit in der Schweiz
Gegen einige der Unternehmen wurden Sanktionen - einschliesslich des Verbots, die besagten Olivenöle wieder auf den Markt zu bringen - ergriffen. Die schwedische Behörde gab jedoch nicht an, welche Unternehmen sanktioniert wurden. Allerdings liegen die Informationen vor, dass zwei der als "mangelhaft" getesteten Olivenöle einem schwedischen Unternehmen, Di Luca & Di Luca, gehören, das mediterrane Lebensmittel importiert. Seine Marken Zeta Classico und Original wurden von der Lebensmittelbehörde als Lampantöl bewertet und wurden nach Angaben des Unternehmens und der Lebensmittelbehörde entsprechend vom Markt genommen.
«Weil wir kein Produkt so genau anschauen wie Olivenöl, können wir heute mit grösster Sicherheit sagen, dass bei uns die Bezeichnung auch stimmt.»
Marcel Schlatter, Migros
Immerhin, muss man hierzu sagen. In der Schweiz wäre eine solche Sanktion trotz begründetem Verdacht quasi undenkbar. Hier geben die kantonalen Vollzugsbehörden lieber vor, ein Ressourcenproblem verunmögliche den adäquaten Vollzug der entsprechenden "Olivenölverordnung". Der vom Lebensmittelgesetz 817.0 in Artikel 1, Abs. C geforderte Täuschungsschutz für Konsumenten kann oder will von den kantonalen Behörden gegenwärtig nicht gewährleistet werden.
Die Opposition in Schweden gleich wie in der Schweiz
Was Schweden und die Schweiz gemeinsam haben, ist nicht nur die Tatsache, dass 80 % der Olivenöle des Lebensmitteleinzelhandels qualitativ ungenügend sind, um als "Extra Vergine" vermarktet zu werden, sondern auch der Widerstand von Marktteilnehmer gegen die Untersuchungsergebnisse der Prüfinstitutionen. Christian Di Luca, der CEO des betroffenen schwedischen Unternehmens, kritisierte die Ergebnisse der Untersuchungen der schwedischen Behörde. Er sagte, unterschiedliche Olivenölpanels hätten festgestellt, dass die beiden fraglichen Olivenöle, welche die Behörden als "Lampante" einstufte, alle Normen für natives Olivenöl extra erfüllten. Ähnlich tönt es bei der Migros in der Schweiz. Gegenüber SRF Espresso gab Mediensprecher Marcel Schlatter an: "Weil wir kein Produkt so genau anschauen wie Olivenöl, können wir heute mit grösster Sicherheit sagen, dass bei uns die Bezeichnung auch stimmt. Die Fehlerquote ist auf minimstem Niveau." Migros in der Schweiz wie Di Luca & Di Luca in Schweden zeigen exemplarisch, wie sich fehlbare Marktteilnehmer seit Jahren aus der Verantwortung zu reden versuchen. Dabei erfolgt die Krisen-Kommunikation immer nach dem selben Muster: Man zeigt sich überrascht, stellt die Ergebnisse offizieller oder inoffizieller Untersuchungen in Frage und argumentiert, dass man bei eigenen Kontrollen auf andere Ergebnisse gekommen sei. Interessant ist hierbei auch die Tatsache, dass sich dieses Kommunikationsmuster nicht nur bei Lebensmitteleinzelhändlern, sondern auch bei Unternehmungen anderer Branchen wiederfinden lässt. Jüngst etwa bei den VBL (Verkehrsbetriebe Luzern AG).
Ein gewisses Mass an Föderalismus und Liberalismus ist sicherlich förderlich, jedoch gerade in Bezug auf den zuverlässigen Schutz der Konsumenten - ob ÖV-Nutzer oder Olivenölkonsument - nachweislich nicht zielführend. Hier braucht es gesetzliche Zwänge, die frei von Einflüssen der Wirtschaft sind und nur dem körperlichen und seelischen Wohl der Konsumenten dienen.
Ihr
Silvan Brun
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