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Gestohlen, gefälscht & verkauft! Italienisches Olivenöl wird wegen hohem Preis zu flüssigem Gold und damit auch zu begehrtem Diebesgut.

Könnte der Raubüberfall auf den Olivenöltransporter so ausgesehen haben? evoo.expert
Könnte der Raubüberfall auf den Olivenöltransporter so ausgesehen haben? (Bild: KI)

Es ist kurz vor Sonnenuntergang am 2. April 2025. Etwas ausserhalb von Barletta, Apulien, auf der Strada Statale 170. Ein mit 20 Paletten Olivenöl extra vergine beladener LKW mit kroatischem Kennzeichen fährt Richtung Norden. Plötzlich wird der Lastwagen von einem dunklen Geländewagen flankiert. Schwarze Scheiben, keine Nummernschilder. Maskierte Männer strecken Faustfeuerwaffen aus dem Fenster. Drohschüsse folgen. Der serbische LKW-Chauffeur wird zum Anhalten gezwungen. Einer der fünf Gangster übernimmt das Steuer des Lastwagens. Der serbische Chauffeur wird in den Geländewagen gezerrt. Stunden später finden die Behörden sowohl den LKW als auch den Chauffeur. Der Chauffeur unversehrt, der LKW leergeräumt.


Was klingt wie eine Szene aus einem Mafia-Thriller, ist bittere Realität und hat sich tatsächlich so ereignet, wie die Zeitung "La Gazzetta della Mezziogiorno" am 5. April 2025 berichtete. In Süditalien häufen sich derzeit professionell organisierte Überfälle auf Olivenöltransporte. Betroffen ist vor allem die Region Apulien – das Zentrum der italienischen Olivenölproduktion, wo je nach Jahr deutlich über die Hälfte des italienischen Olivenöls erzeugt wird.



Knappe Ernten, schlechte Erträge: Olivenöl wird zum grünen Gold

Eine Kombination aus klimatischen Extremen – insbesondere Dürreperioden, aber auch mal Hagel oder Schnee – und der unverhältnismässigen Rodung von mehr als einer Millionen Olivenbäumen in Apulien seit 2013 – offiziell, um die Ausbreitung des Bakteriums Xylella fastidiosa einzudämmen, hat in den vergangenen Jahren teils zu massiven Ernteeinbrüchen geführt. Eine geringere Verfügbarkeit bedeutet höhere Preise. Während als "extra vergine" deklarierte italienische Öle früher für fünf Euro pro Liter erhältlich waren, kostet ein "natives Olivenöl extra" italienischer Herkunft – je nach Region – heute zehn bis zwanzig Euro – und das im Grosshandel. Weil Olivenöl "made in Italy" vergleichsweise teuer wurde, stieg auch dessen Attraktivität für kriminelle Banden, die mit Raub, Betrug und Fälschung viel Geld verdienen. Olivenöl ist leicht umzuschlagen, oft unzureichend rückverfolgbar und in grossen Mengen transportierbar. Ermittler sprechen inzwischen offen von "Zielobjekten mit hoher Verwertbarkeit".


Infolge der zunehmenden Überfälle gehen immer mehr italienische Olivenölproduzenten und Abfüllbetriebe dazu über, zur Absicherung der Transporte oder sogar zur Bewachung ihrer Öllager und Ölmühlen private Sicherheitsfirmen einzusetzen. Im Sommer 2023 hatten wir Ähnliches aus Spanien gehört, als von Dieben ganze Tanks leergepumpt wurden. Einige Monate später – zur Erntezeit – las man und sogar davon, dass Kriminelle ungeerntete Oliven von den Bäumen stahlen. Spanien erlebte damals eine historische Preis-Hausse für das grüne Gold. In der Zwischenzeit sanken die Preise für spanisches Olivenöl wegen mengenmässig besserer Ernte von im Mittel fast 10 Euro pro Liter allerdings wieder drastisch und notieren derzeit unter 4 Euro.


Carcabuey, Andalusien: Eine Gemeinde, drei Mühlen. Eine Mühle stahl der anderen 56'000 Kilo Olivenöl. (Priego digital)
Carcabuey, Andalusien: Eine Gemeinde, drei Mühlen. Eine Mühle stahl der anderen 56'000 Kilo Olivenöl. (Priego digital)



Auch Fälscher haben Hochkonjunktur

Weil spanisches Öl seit Jahresbeginn kräftig an Wert eingebüsst hat und die Preisdifferenz zur italienischen Ware wieder beträchtlich ist, wird es derzeit massenhaft nach Italien transportiert, wo es – mit neuer Identität ausgestattet – wie in aller Selbstverständlichkeit als italienisches Olivenöl ausgegeben und vermarktet wird.


Der Bauernverband Coldiretti warnt seit Langem vor diesen Praktiken, insbesondere vor billigen Importen, etwa aus Tunesien oder der Türkei, die dann häufig mit missbräuchlicher Verwendung von geschützten Herkunftsbezeichnungen wie g.U. (geschützte Ursprungsbezeichnung) oder g.g.A. (geschützte geografische Angabe) vermarktet würden.


Immerhin, so kann man sagen, handelt es sich nur um einen Herkunftsschwindel, wobei es sich bei der Ware immer noch um Öl der Olive handelt. Allerdings gibt es derzeit auch eine Zunahme von veritablen Ölfälschungen. Weil für italienisches Olivenöl derzeit vergleichsweise – aber nicht ungerechtfertigterweise – hohe Preise bezahlt werden, ist das Ölfälschen vor allem für ruchlose Gangster sehr lukrativ geworden. Mit Chlorophyll eingefärbtes billiges Sonnenblumenöl oder Rapsöl wird zurzeit vermehrt als teures italienisches Olivenöl ausgegeben. Hier sind die Gewinnspannen beträchtlich und das Risiko aufzufliegen geringer als beim Rauschgifthandel.


Trotz der schrill läutenden Alarmglocken orientieren sich viele Einkaufsgesellschaften nach wie vor fast ausschliesslich am Preis. Insbesondere bei Produkten, die für den Foodservice-Sektor, also die Gastronomie, bestimmt sind.



Was Sie als Konsument wissen sollten

Diese Entwicklung zeigt vor allem eines: Damit ein gutes Olivenöl im Handel angeboten werden kann, braucht es heute weit mehr als nur handwerkliches Können. Längst ist Olivenöl zum grünen Gold und damit für Kriminelle zum begehrten Diebesgut geworden. Wir von evoo ag wissen, wovon wir sprechen, wurde von uns bestelltes Öl aus Spanien kommend im vergangenen Dezember – trotz umfangreicher Sicherungsmassnahmen – vom LKW gestohlen.


Wer heute ein echtes Olivenöl extra vergine kaufen möchte, sollte wissen: Qualität hat ihren Preis – nicht nur, weil es dazu eine frühe Ernte gesunder Früchte und eine tadellose Verarbeitung zu Öl braucht, sondern auch wegen lückenlos rückverfolgbaren Lieferketten. Denn, was wenn vermeintliche Premium- oder Markenöle über dubiose Quellen kommend plötzlich im Ladenregal landen? Ein Olivenöl ist nämlich nur so gut, wie seine Transportbedingungen und seine Lagerung. Der Griff zur vermeintlich billigeren Version mag kurzfristig reizvoll sein, doch oft bleibt unklar, welche Wege sie passiert hat.

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