Das Art Deco Hotel Montana in Luzern ist ein vom ehemaligen Direktor Fritz Erni auf den Weg gebrachtes und von seiner Nachfolgerin Miriam Böger weitergeführtes einzigartiges Erfolgskonzept. Der Motor des Erfolgs ist zweifelsohne die Gastronomie. Der Ingenieur dieses Motors ist Johan Breedijk. Seit 17 Jahren ist er Küchenchef im angesagtesten Hotel von Luzern. Vor genau einem Jahr hat Breedijk einen umfassenden Ölwechsel vorgenommen. Seither wird im Montana ausschliesslich in hochwertigem nativem Olivenöl extra frittiert. Und, der Motor läuft seither besser denn je! Ein Gespräch von Silvan Brun mit Johan Breedijk.
Etliche Meilensteine des über der Leuchtenstadt thronenden Art Deco Hotel Montana fallen in die Ära des sesshaft gewordenen aber keineswegs stehengebliebenen Holländers, Johan Breedijk. So etwa die Auszeichnungen zum "Hotel des Jahres" und zum besten 4-Sterne-Stadthotel der Schweiz. Ebenso der Bau der grossen, 4.5 Millionen Franken teuren Showküche, die Johan Breedijk massgeblich mitgeplant hat. Und, ausserdem wertet Urs Hellers GaultMillau die mediterrane Küche Breedijks seit etlichen Jahren mit 15 Punkten. Das klingt umso überzeugender, wenn man weiss, dass das Restaurant Scala nicht selten bis auf den letzten Platz gefüllt ist und Breedijks Brigade an geschäftigen Tagen à-la-carte-Teller für bis zu 200 Personen schickt. Wie kriegt er das alles unter eine Kochmütze und vor allem, was ist der Schlüssel zum Erfolg?
Silvan Brun: Johan, was ist der Schlüssel deines Erfolges mit der Montana-Küche?
Johan Breedijk: «Der Schlüssel zum Erfolg sind die Mitarbeiter. So einfach es tönt, so wahr ist es.»
Ein Blick in deine Küche verrät mir, dass du den Altersdurchschnitt deiner Brigade nach oben zerrst. Warum ist deine Brigade so jung?
«Es bleiben mir keine anderen Optionen, als mit jungen Köchen zu kochen.»
Warum?
«Der Grossteil der Köche bleibt nicht lange auf dem Beruf, sondern wechselt einige Zeit nach der Ausbildung in die Zuliefererbranche, etwa zu Wein-, Kaffee- oder Delikatessenhändlern. Demnach brauchen die Küchen ständig neue Köche. Und das sind vorwiegend Jungköche.»
Die Gastrozulieferer ihrerseits sind ja vom Fortbestehen der Gastronomie abhängig, ist es nicht kurzsichtig, wenn Köche ihren Beruf verschmähen und auf die andere Seite des Passes wechseln?
«Da draussen rufen mehr Freizeit und ein höheres Salär. Das sind die zwei wichtigsten Gründe, weshalb viele wechseln. Du weisst eigentlich heute schon, dass ein Teil der Köche, die du zurzeit ausbildest, innerhalb von wenigen Jahren nach Abschluss der Ausbildung aus dem Beruf aussteigen wird. Umso wichtiger ist es, die lernenden Köche für das Kochen begeistern zu können, sie zu fordern und zu fördern. Und, schlussendlich ist etwa das Zusammengehörigkeitsgefühl in unserer Küche grossartig. Wir erleben oft, dass wir nach dem Abendservice zueinander sagen: Das war ein geiler Tag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dieses Gefühl auch hat, wenn man im Aussendienst ist.»
Dass ich hier in Luzern mediterran koche, hat mit meiner Vergangenheit im Süden zu tun.
Johan Breedijk, Küchenchef Art Deco Hotel Montana
Das Art Deco Hotel Montana ist, als Institution der Hotel & Gastro Union, auch ein beispielhafter Ausbildungsbetrieb.
«Ja, in der Küche haben wir fünf Lernende. Das ist wichtig. Diese jungen Menschen sind die Zukunft. Nicht nur unseres Hauses, sondern unserer Branche. Einige von ihnen bleiben uns nach der Ausbildung erhalten, andere wechseln zu einer anderen Adresse. Und umgekehrt. So kommt mein Sous Chef immer aus den eigenen Reihen. Geht er weg und wird der Posten frei, besetze ich diesen nicht mit einem externen Koch, sondern nehme einen Chef de Partie nach, von dem ich weiss, dass er aufsteigen will und das Zeug dazu hat.»
In deiner Küche wird mediterran gekocht. Wie kommt das?
«Ich kann eigentlich nicht viel anderes. Dass ich hier in Luzern mediterran koche, hat mit meiner Vergangenheit im Süden zu tun. Ich war lange in Italien, lernte quasi von Süd nach Nord, also von Neapel, über Florenz, Piacenza bis nach Mailand die einfache aber geniale mediterrane Küche. Danach arbeitete ich während 15 Jahren im Tessin - wieder ausschliesslich in mediterraner Stilrichtung.»
In diesem Fall ist für dich nicht die "cuisine au beurre la meilleure", sondern "quella con l'olio extra vergine d'oliva"?
«Ja. Butter setze ich nur zum Aufmontieren von Risotti ein. Für Gemüse, Fleisch, Fisch und Pasta vertraue ich ganz auf Olivenöl.»
Aber hier kann ich nur sagen, wenn der Geschmack des Endprodukts dank dem Einsatz von Olivenöl mindestens zweimal besser ist und das Olivenöl bei der Anwendung ausserdem zwei- bis dreimal länger hält, weil es deutlich stabiler ist, ist das Literpreisargument hinfällig.
Johan Breedijk, Küchenchef Art Deco Hotel Montana
Kannst du dir vorstellen, den Risotto anstelle von Butter mit Olivenöl zu vollenden?
«Nein, für mich braucht es hier die Butter. Jeder Koch hat grundsätzlich und bei Risotto im Speziellen seine eigene Philosophie. Als ich bei Martin Dalsass - 18 Punkte GaultMillau - gearbeitet habe, hat dieser immer Olivenöl und Schlagsahne zum Risotto hinzugegeben. Aber hey, ich frittiere ja schon in Olivenöl.»
Ein genialer Steilpass, wie ihn nur ein Holländer machen kann, Johan. Dankeschön. Du bist wohl der einzige Spitzenkoch der ausschliesslich in Olivenöl frittiert. Warum frittierst du in Olivenöl? Und, weshalb gehst du diese Extrameile?
«Das hat eigentlich nichts mit einer Extrameile oder einem zusätzlichen Aufwand zu tun. Du hattest mich vor einem Jahr darauf angesprochen und ich erhielt die Gelegenheit, es auszuprobieren und nahm mir die dafür notwendige Zeit. Schliesslich geht es um das Endprodukt. Und das ist mit Olivenöl ganz klar besser. Der Test hatte das schon deutlich zutage gefördert und im Laufe des ersten Anwendungsjahres hat sich das gar akzentuiert. Mit anderen Worten, meine hausgemachten Pommes sind - in Olivenöl frittiert - geschmacklich viel besser, knuspriger und schlussendlich auch gesünder.»
Das Experiment erforderte deine Offenheit. Ich schätze, von 100 Köchen wären 80 für ein solches Experiment nicht bereit.
«Ja, weil es für diese 80 Köche nur eine Frage des Preises ist. Sie sehen nur die Literpreise. Jenen ihres herkömmlichen Frittieröls und jenen des Olivenöls. Wenn der Literpreis des Olivenöls Faktor zwei oder gar Faktor drei über dem Literpreis für das bis anhin eingesetzte Frittieröl liegt, winken sie sofort ab. Aber hier kann ich nur sagen, wenn der Geschmack des Endprodukts dank dem Einsatz von Olivenöl mindestens zweimal besser ist und das Olivenöl bei der Anwendung ausserdem zwei- bis dreimal länger hält, weil es deutlich stabiler ist, ist das Literpreisargument hinfällig. Dann nämlich sind die Kosten auf den ersten Blick bei beiden Ölen gleich hoch. Aber eben mit dem Unterschied, dass etwa die in Olivenöl frittierten Pommes besser schmecken, knuspriger sind und diese Form des Frittierens schlussendlich auch gesünder ist.»
Deine Neugier hat dir zweifelsohne die Tür zu einem besseren Gericht geöffnet.
«Was das Frittieren mit Olivenöl angeht: Viele Köche glauben das nicht, weil sie's nicht selber ausprobiert haben. Sie hätten zwar gerne die Erkenntnis aus dem Experiment, aber sind selten bereit, sich auf das Experiment einzulassen. Wenn ein neuer Lieferant einem Koch etwas Neues vorstellen will, ist der Koch grundsätzlich eher nicht interessiert, weil er sich gerne an das Bewährte hält und seine Komfortzone nicht verlassen will. Das Gewohnte lässt ihn manchmal in falscher Sicherheit wähnen. Deshalb ist es wichtig, dass ein Koch eine gewisse Neugier hat. Hier hilft mir die Tatsache, dass ich mit einer jungen Brigade zusammenarbeiten darf, die ständig neue Ideen einbringt. Das ist bereichernd. Für mich selber und schlussendlich auch für den Gast.
Ja, es gibt einige Ausbildungslücken, was Olivenöl betrifft. Warum hält Olivenöl länger beim Frittieren als andere Öle? Nach den Schulbüchern und gängiger Unterrichtspraxis dürfte es das eigentlich gar nicht geben - und trotzdem gibt es das.
Johan Breedijk, Küchenchef Art Deco Hotel Montana
Du arbeitest seit Jahren mit drei der weltbesten und bei FLOS OLEI mit der Maximalnote von 100 Punkten geführten Olivenölerzeugern zusammen: Frantoio Franci aus der Toskana, Casas de Hualdo aus dem spanischen Kastilien-La Mancha und Mate aus Istrien. Da drängt sich für manch einen die Frage auf, warum du gleich drei Olivenöle brauchst?
«Also, drei Öle sind eigentlich wenig. Bei Martin Dalsass hatten wir 18 oder 20 verschiedene italienische Olivenöle. Hier im Montana möchte ich jedoch niemanden überfordern. Die Anwendung soll einfach sein. Meine Köche mussten schon entgegen ihrer berufsschulischen Bildung akzeptieren, dass man Olivenöl sehr wohl erhitzen kann und - mehr noch -, dass man sogar darin frittieren kann. Dass natives Olivenöl extra stabiler ist als jedes andere Pflanzenöl sehen sie mit ihren eigenen Augen, wenn sie mit dem Frittieröltestgerät die Qualität des Frittieröls prüfen.»
Du sprichst ein Problem der Berufsbildung an.
«Ja, es gibt einige Ausbildungslücken, was Olivenöl betrifft. Warum hält Olivenöl länger beim Frittieren als andere Öle? Nach den Schulbüchern und gängiger Unterrichtspraxis dürfte es das eigentlich gar nicht geben - und trotzdem gibt es das. Niemand kann und will das erklären. Olivenöl ist zudem auch gesünder als andere Pflanzenöle, aber es wird in der Berufsschule nicht darüber geredet.»
Wer trägt die Verantwortung für diese Ausbildungslücke?
«Der Verband. Die Lehrer.»
Und die Samenölindustrie?
«Ja. Aber zurück zu den Lehrern. Die sind in meinem Alter und sie waren mal Köche. Nur wollten sie eines Tages bessere Arbeitszeiten, am Wochenende frei und einen höheren Verdienst. So wechselten sie in die Ausbildung. Sie sind dort trotzdem noch mit dem Fach beschäftigt, ohne aber die Nachteile der klassischen Gastronomie erfahren zu müssen. Eigentlich ist es ein schöner Beruf. Du gibst jungen Menschen dein Wissen weiter, das ist eigentlich sehr schön. Und dennoch, irgendwann, in der Zukunft, müssen diese Lehrer, die den Kochberuf längst verlassen haben, ebenfalls wieder neu ausgebildet werden. Etwa zu neuen Kochtechniken. Zu neuen Produkten. Zu neuen Erkenntnissen der Wissenschaft. Aber dafür muss man offen sein. Nicht jedem ist die Neugier wie mir in die Wiege gelegt worden.»
Wer hat dir denn die Neugier in die Wiege gelegt?
«Mein Vater. Er hatte in Holland mit Hingabe und Stolz Kirschtomaten gezüchtet. Grüne, gelbe, rote, lilafarbene - kurzum alles Mögliche. Bei den Wettbewerben, auf die er jeweils ging, trat er mit den Holländern unter anderem gegen Produzenten aus Italien, Israel, Portugal und Spanien an. Holland hatte diese Wettbewerbe immer für sich entschieden. Mein Vater sagte mir, dass das nur ihrem Drang nach ständiger Verbesserung geschuldet gewesen sei. Sie hätten jeweils alles ausprobiert, damit die Tomate süss, saftig, knackig und lange haltbar sei. Zucht in Perfektion. Und Kultivierung ohne Chemie!!»
Das ist faszinierend. Johan, ich danke dir herzlich für das Gespräch.
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