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AutorenbildSilvan Brun

Zollbehörde Italiens: 55 % der "Extra Vergine" Olivenöle sind ungenügend. Die Industrie wehrt sich.


Wer die Wahl hat, hat die Qual - und dennoch sind die meisten Öle minderer Qualität (Bild: shutterstock)
Wer die Wahl hat, hat die Qual - und dennoch sind die meisten Öle minderer Qualität (Bild: shutterstock)

Was werden die Leserinnern und Leser in der nächsten Ausgabe der Monatszeitschrift "Il Salvagente", die führend bei Labortests gegen Verbraucherbetrug ist, derart "Straffälliges" finden, das die auf den Plan gerufene Verbraucherschutzorganisation "Codacons" mit einer Heerschar von Anwälten unter allen Umständen und mit allen Mitteln vor der Veröffentlichung hindern will? Sind es Nachrichten, die gegen den Anstand und die gute Sitte verstossen? Sind es Entschuldigungen für den italienischen Faschismus? Oder handelt es sich um Informationen, die den Straftatbestand des Schwarzdrucks erfüllen? Nichts von alledem: Il Salvagente wird lediglich die Ergebnisse eines Paneltests veröffentlichen, der an 20 Olivenölen durchgeführt wurde, die in italienischen Supermärkten als nativ extra verkauft werden und die sich bei der überwiegenden Mehrheit (11 Stück, um genau zu sein) - bei nicht weniger als zwei offiziellen Panel-Tests - allerdings lediglich als nativ (und ohne extra) erwiesen haben.


Die Konsumenten können sich eigentlich glücklich schätzen, wenn eine Zeitschrift wie Il Salvagente eines der renommiertesten unabhängigen Olivenöl-Prüforgane Italiens damit beauftragt, die organoleptischen Eigenschaften von Olivenölen zu testen, die im Grosshandel sprich in den italienischen Supermärkten als nativ extra feilgeboten werden. Denn, es ist bekannt, dass nicht alles gold ist, was glänzt - will heissen, unter den als "extra vergine" vermarkteten Olivenölen gibt es die eine oder andere faule Olive.


Allerdings scheint der Verbraucherschutzverband Codacons (Coordinamento delle associazioni per la difesa dell'ambiente e dei diritti degli utenti e dei consumatori) diese Auffassung ganz und gar nicht zu teilen. Er hat nämlich - und das nicht zum ersten Mal - die von Riccardo Quintili geleitete Zeitschrift Il Salvagente davor gewarnt, die Ergebnisse der Untersuchungen zu veröffentlichen. Dabei hat Codacons einen angeblichen Interessenkonflikt zwischen der öffentlichen Rolle der den Test durchführenden italienischen Behörde (Agentur für Zoll und Monopole) und der privaten - wenngleich regelmässig beauftragten - Konsultationen, welche die Behörde "Agenzia delle Dogane e dei Monopoli" für die Zeitschrift Il Salvagente leistet, angeprangert.


Am 2. Mai 2023 reichte der Verbraucherschutzverband Codacons eine Beschwerde ein und mahnte die Zollbehörde, im Namen und auf Rechnung von Privatpersonen keine Laboranalysen durchzuführen, da diese Tätigkeit im Widerspruch zum öffentlichen Auftrag der Behörde stehe. Diese Untersuchungen der Zoll-Behörde, die von der Zeitschrift im Rahmen einer privaten Kooperation regelmässig kostenpflichtige Kontrollen durchführt, könnten zur Schaffung eines verzerrten Wettbewerbsmarktes genutzt werden, befürchtet Codacons. Für den Verbraucherschutzverband scheinen diese wiederholten Olivenöluntersuchungen, welche die Zeitschrift Il Salvagente bei der Zollbehörde in Auftrag gibt, den Charakter einer Schikane anzunehmen.


Il Salvagente findet es gemäss einem 3. Mai 2023 in Gambero Rosso erschienenen Bericht von Indra Galbo lächerlich, dass sich ein Verbraucherverband wie Codacons als Vorkämpfer für die Sache aufspielt und dann eine Zeitschrift angreift, die sich tatsächlich für den Schutz der Konsumenten einsetzt. Der Artikel über den Ende Mai 2023 erscheinenden Test zum Vergleich verschiedener Olivenöle hätte zwanzig Ölmarken und deren EU-Ölmischungen betroffen. Il Salvagente habe sich vergewissert, dass alle Musterprodukte weit vor dem Verfallsdatum standen und dass sie in Supermärkten mit einem guten Warenumsatz erworben wurden. Von diesen 20 Marken entsprachen 11 nicht den gesetzlichen Anforderungen an natives Olivenöl extra und sollten daher zu nativem Olivenöl herabgestuft werden. Um auf Nummer sicher zu gehen und die Ergebnisse verifizieren resp. falsifizieren zu können, seien zwei Analysen an verschiedenen Flaschen derselben Charge durchgeführt worden und zwei verschiedene Gruppen von Verkostern der Zoll- und Monopolbehörde seien hinzugezogen worden, gab Riccardo Quintili, Chefredakteur von Salvagente gegenüber Gambero Rosso an. Weiter sagte er: "Einer der Anwälte der Anwaltskanzlei Rienzi ist Mariacristina Tabano, die Umweltmanagerin von Codacons, die zugleich die Schwester von Francesco Tabano, dem Geschäftsführer von Federolio ist. Das ist eine Organisation, deren Produkte in der Vergangenheit bei Tests, deren Ergebnisse von Il Salvagente veröffentlicht wurden, beanstandet wurden."


In der Tat, der von Carlo Rienzi geleitete Verband ist kein unbekannter, wenn es darum geht, nicht die Interessen der Verbraucher, sondern die der Hersteller zu verteidigen: Im Jahr 2021 hatte sich Carlo Rienzi nach einem ähnlichen Test, den Il Salvagente an 15 Flaschen Olivenöl durchführen liess, auf die Seite einiger Abfüller gestellt und bei der Kartellbehörde eine Beschwerde gegen Il Salvagente eingereicht. Dies führte aufgrund eines hypothetischen Interessenkonflikts, der jedoch vom Gericht von Spoleto nicht als solcher angesehen wurde, zu einer Geldstrafe für die Zeitschrift: Das Gericht bestätigte am 10. Januar 2023 die Legitimität von Vergleichstests als "Instrument des investigativen Journalismus" und verurteilte das Unternehmen Coricelli (ein grosser Ölabfüller in Spoleto) zur Zahlung von 80'000 Euro an Prozesskosten. Übrigens ist der Einspruch von Il Salvagente bezüglich der Geldstrafe noch beim Kartellamt hängig.


Die Pressefreiheit ist den dubiosen, herrsch- und rachsüchtigen sowie unterdessen offenbar auch verzweifelten Geschäftsmännern und -frauen der italienischen Abfüllindustrie gänzlich gleichgültig. Sie versuchen über Umwege und mit üblen Einschüchterungsversuchen ein längst bestens bekanntes Geheimnis unter Verschluss zu halten: Die allermeisten in Supermärkten erhältlichen Olivenöle sind von minderer Qualität und haben nichts mit "extra vergine" zu tun.

Diese Tatsache wird uns in Zukunft noch viel mehr beschäftigen, denn Spanien erwartet erneut eine schlechte Olivenernte. Das verteuert das Öl deutlich. Da die Supermärkte aber nur selten bereit sind, anständige und der Situation angemessene Preise für Olivenöl zu bezahlen, muss auf Seiten der Abfüller getrickst werden. Das dürfen Sie mir glauben.

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